P'GASUS
Zumindest ließ mich der Name neue Hoffnung schöpfen, geht er doch zurück auf das, aus der griechischen Mythologie stammende, geflügelte Pferd Pegasus.

Mit dem P’GASUS würde jeder gerne fahren!
Herr Ganz spricht von „integriertem Design“, dass sich von „dem krückenhaften Charakter“ jetziger Rollstuhlkonstruktionen durch seinen grundlegend neuen Ansatz unterscheidet.

Der Entwurf geht zurück auf Steffen Ganz Diplomarbeit, die er 2007 an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel erstellte.
Nach Abschluss eines erfolgreichen Praktikums im Porsche Design Studio, konnte Herr Ganz seine Diplomarbeit zusammen mit Designern und Ingenieuren des Entwicklungszentrum Porsche entwickeln.
Für seinen Entwurf erhielt Steffen Ganz mehrere Preise und Auszeichnungen:
1. Preis der Mia Seeger Stiftung 2007
IF Hannover „Lebens(t)räume-Award“ 2007
Lucky Strike Junior Designer Award 2007
Entwurfsbeschreibung
Autor: Steffen Ganz
Die Diplomarbeit P'GASUS befasst sich mit dem unmittelbarsten menschlichen Bedürfnis - der eigenen Bewegung. P'GASUS ist eine Alternative zum manuellen
Rollstuhl und stellt für Querschnittgelähmte und bewegungseingeschränkte Menschen einen deutlichen Gewinn an Lebensqualität dar.
Ziel dieser Arbeit ist es, dem beeinträchtigten Menschen so weit wie möglich seinen ursprünglichen Bewegungsfreiraum zurückzugeben.
P'GASUS kann den Fahrer spontan in die aufrechte Position aufrichten und in dieser Position fortbewegen. Sich im Stehen fortbewegen zu können, ist psychologisch und medizinisch von enormem Vorteil für den behinderten Fahrer, entspricht dies doch dem gewohnten Bewegungsraum des Menschen.
Die integrierte Balancetechnik, vergleichbar der des „Segway Human Transporters“, bietet hierbei entscheidende Möglichkeiten:
Zunächst kann sie das Gerät auf der Stelle drehen (Wendekreis „0“). Zum anderen tritt das kleine Rad, das bei jetzigen Rollstuhllösungen als erstes „stecken bleibt“, bei P'GASUS nur im Stand-by- oder Notbetrieb aus seinem Korpus hervor, somit kann man mit diesem Gerät auf vielen verschiedenen Untergründen fahren.
Für querschnittgelähmte Personen ist die selbstständige Fortbewegung von entscheidender Bedeutung für das eigene Körpergefühl und die Gesundheit.
Angetrieben wird das Gerät durch eine Mischung aus manuellem Antrieb und den, mit den Gleichgewichtssensoren verbundenen Nabenelektromotoren, deren Unterstützungsverhältnis der Fahrer aktiv wählen kann. Die manuelle Unterstützung findet über Armhebel statt, die sich seitlich der Oberschenkel befinden, die Kraft wird über Bowdenzüge auf die Achsen geleitet.
P'GASUS kann aber auch gänzlich über den Akku gefahren werden.
Beim Fahren ohne manuellen Antrieb kann das Gerät über einen Ring mit Trackball am Zeigefinger gesteuert werden.
Es muss eine solche alternative Steuerung geben, da das Fahren über reine Gleichgewichtsverlagerung, wie es bei dem „Segway“ der Fall ist, für einen Querschnittgelähmten nicht möglich ist. Die Trackball-Steuerung ermöglicht dem Fahrer, z. B. mit einem Einkaufswagen, durch den Supermarkt zu fahren oder mit dem Freund oder der Freundin Hand in Hand spazieren zu gehen.





Interview mit Steffen Ganz
1.) zum Entwurf

- RC: Können Sie etwas zur Namensfindung bzw. der Bedeutung des Namens P‘GASUS sagen?
- S.G.: Mir schien der Name des geflügelten Pferdes Pegasus, bekannt aus der griechischen Mythologie, recht passend für mein Konzept zu sein, das muss in der Antike die Idee von dem perfektesten Fortbewegungsmittel schlechthin gewesen sein! Schnell und komfortabel zu Land und in der Luft!
Die Schreibweise mit „P`“ leitet sich aus der Produktmatrix der Porsche Design Produkte ab, als Hinweis, dass es sich hier um eine Kooperation mit dem Porsche Design Studio handelt. - RC: Welche Rolle spielte das Haus Porsche bei der Entwicklung Ihrer Diplomarbeit?
- S.G.: Das Haus Porsche hat insofern einen enormen Einfluss auf meine Arbeit, als dass man als Designstudent zwar eine kühne, zukunftsweisende Vision aufstellen kann, man aber hinsichtlich maschinenbauerischer und ingenieurstechnischer Fragen schnell an Grenzen stößt.
Hierbei haben mir die Kontakte zu den Ingenieuren des Porsche Autoherstellers sehr geholfen.
Gemeinsam mit ihnen konnte ich das gesamte technische Konzept erarbeiten. Die erfahren Designer des Porsche Design Studios haben mir geholfen dieses Projekt in 4,5 Monaten zu dieser Entwicklungstiefe zu planen und auszuarbeiten. - Ich hatte das Glück, dass ich meine Vision gleich zu Beginn der Konzeptentwicklung in einem Technik-Workshop mit einem Team von Ingenieuren im Entwicklungszentrum der Porsche AG in Weissach vorstellen konnte. Einer der Teilnehmer war Ingenieur und Rollstuhlfahrer. Seine Einschätzung meiner Idee war für den Fortgang meiner Abschlussarbeit besonders entscheidend.
- RC: Was hat es mit dem Kombi-Antrieb auf sich?
- S.G.: Das Konzept sieht zusätzlich zu dem elektrischen Antrieb, einen manuellen Antrieb vor. Dazu sind auf beiden Seiten, auf Höhe der Sitzfläche, Hebel angebracht, die durch auf-und abbewegen das Fahrzeug antreiben.
Das sollte auch und im Besonderen in der aufgerichteten Situation funktionieren. Die eigene Fortbewegung ist eines der ursprünglichsten Bedürfnisse des Menschen, deswegen soll der manuelle Antrieb bei diesem Elektrorollstuhl für Paraplegiker vorgesehen werden.
Die Unterstützung durch die Motoren lässt sich graduell einstellen, je nach dem, wie viel man selbst leisten kann oder möchte.
Die Umsetzung des Kombi-Konzeptes wurde getestet und funktioniert, ist aber natürlich mechanisch eine Herausforderung. - RC: Auf den Abbildungen sieht es so aus, als wäre das Fußbrett nicht hochklappbar. Wie steigt man in das Fahrzeug ein?
- S.G.: Man steigt im abgesenkten Modus seitlich auf, die kleinen Armlehnen können nach hinten geklappt werden.
- RC: Ist das Fahrzeug gegen Umkippen nach hinten sicherbar?
- S.G.: Ich habe mir natürlich Gedanken über die Sicherheit des Fahrers gemacht. Was passiert in einem Notfall, was ist wenn die Elektronik ausfällt? In meinem Konzept ist ein Stützrad nach vorne vorgesehen, welches für den Stand-by-Betrieb in der Sitzposition gebraucht wird, sowie blitzartig im Notfall ausgefahren wird. Im Notfall wird außerdem ein zweites Rad auf der Rückseite ausgefahren, um ein Umkippen zu verhindern. Alle wichtigen Systemkomponenten sind redundant vorhanden, d.h. wenn eine Komponente ausfällt, wird die Funktion von einem identischen Bauteil übernommen.
Ich war geneigt, anfänglich mein Konzept mit Sicherheitsvorkehrungen zu überladen. Ich wurde von Rollstuhlfahrern belehrt, dass sie ihren Rollstuhl sowieso strippen würden, um ihn maximal für den Alltagsgebrauch anzupassen. Diese extreme Haltung hat mir gezeigt, wie bedeutend und sensibel hier die richtige Balance zwischen Sicherheit und Performance ist.
Wir sprechen hier über einen Elektrorollstuhl für Paraplegiker, nicht für Tetraplegiker. - RC: Wie werden unterschiedliche Drehgeschwindigkeiten der Hinterräder beim Kurvenfahren ausgeglichen?
- S.G.: Mit einem Differenzialgetriebe an der Hinterachse + ggf. Differenzialsperre. Im Modell ist dies leider nicht dargestellt. Hier wären Tests mit einem Prototypen schön gewesen. Leider ließ sich das aus finanziellen Gründen nicht realisieren.
- RC:Sie erwähnen die Segway-Technik.
Gibt es dazu Überlegungen, bzw. können Sie Aussagen dazu machen, ob über die Segway Technik hinaus, auf existierende technische Lösungen zurückgegriffen werden soll? - S.G.: Für P'GASUS ist eine neuartige Steuerung notwendig, hier wird nicht auf existierende Lösungen zurückgegriffen werden können. Der Segway manövriert durch die Gewichtsverlagerung des Fahrers, die durch diverse Lagesensoren festgestellt wird. Diese Gewichtsverlagerung des eigenen Körpers ist für querschnittsgelähmte natürlich nur bedingt möglich, besonders wenn sie ihre Bauchmuskeln nicht verwenden können, abhängig von der Höhe des Querschnitts.
Auch für diverse Ausnahmesituationen müssen Lösungen mit Hilfe einer intelligenten Steuerung entwickelt werden.
Mein Anspruch ist es, eine kompromisslose, technisch ausgereifte Alternative zu gängigen Rollstuhllösungen zu entwickeln. Ich fürchte, dass kein bestehendes Produkt zufällig perfekt zu diesem Konzept passt. - RC: Ein wichtiger Aspekt scheint mir gar nicht beleuchtet:
Der P’GASUS eignet sich nicht nur als „Behindertenfahrzeug“, sondern stellt auch für Nichtbehinderte eine Möglichkeit der Fortbewegung dar. - S.G.: Das ist richtig! Das ist natürlich auch für mich ein bedeutender Aspekt meiner Arbeit als Designer.
Das Thema meiner Diplomarbeit ist „Ein Leben ohne Rollstuhl?“. Das ist natürlich eine Provokation - ist das überhaupt möglich? Es ist ja klar, dass die behinderten Menschen natürlich von ihrem Rollstuhl absolut abhängig sind, den kann man mich sich nicht einfach wegdenken.
Also ein Leben ohne Rollstuhl, stattdessen mit P’GASUS, der die Funktionen eines Rollstuhls bereitstellt, aber die mit dem Rollstuhl verbundenen negativen Assoziationen vermeidet.
Das Besondere am P’GASUS ist, dass er ein Fahrzeug ist, dass auch von Behinderten genutzt werden kann. So geht Inklusion!

